Frauen sprechen Männer an?


Normalerweise ja, Ausnahmen bestätigen die Regel und erhöhen die Chancen am Markt (also „ansprechen“ meine ich jetzt nicht wörtlich, so mit dem Mund, in irgendeiner Bar, sondern eher allgemein, im Sinne von ... ach, ihr wisst schon!). Aber in der Werbung sieht’s genau umgekehrt aus.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen an einem Laden vorbei und in der Auslage hängt ein Poster von einer Frau, die Ihnen promotend Turnschuhe entgegenhält. Würden Sie glauben, das sind die Sprinter-Stiefel für den sportlichen Mann von heute, der sich, wenn er reinschlüpft, zu einer Marathon-Maschine wandelt, die die Straße unbarmherzig dominiert?
Umgekehrt, wenn Sie als Frau nach einem Parfum Ausschau halten, der der Welt die feine Note Ihrer Persönlichkeit duftend in die Nase schmeichelt und zugleich die entschiedene Bestimmtheit Ihres Auftritts zum Ausdruck bringt, für welches würden Sie sich entscheiden: Dasjenige, wo auf dem Plakat eine hinreißende Frau mit glanzvollem Lächeln ihren geheimnisvollen Charme versprüht, oder dasjenige, auf dem ein 20-jähriger Knilch in zerrissenem T-Shirt mit halb kaputter Frisur dümmlich hergrinst?
So ist es: Männer sprechen Männer an, weil sie ihnen sagen, hier gibt’s was für Männer. Und Frauen sprechen Frauen an, weil sie ihnen sagen, hier gibt’s was für Frauen. Denn: Eine Frau macht das Produkt weiblich, ein Mann männlich.
Wenn die Zielgruppe also Männer sind, Vorsicht mit Sprüchen wie: Tun wir eine Frau da drauf, damit die Kerle hingucken. Weil klar werden die gucken. Aber auf die Frau. Nicht auf das neue Handy, das sie auf dem Inserat in der Hand hält und das ein neues, extrem cooles Zusatz-Feature beinhaltet, das es ihnen jetzt noch leichter möglich macht, irgendwas zu machen, nur das Telefonieren kompliziert. Weil es ab dem ersten Blickkontakt für sie als Weiber-Phon abqualifiziert ist, das sie als echte Mannen niemals in die Hand nehmen. Man nennt das auch Vampireffekt. Und das hat was mit Aufmerksamkeits-Absaugen zu tun, nicht damit, dass die Abgebildete ein Vamp ist.
Wenn die Zielgruppe Frauen sind, sind weder lässige Summerboys noch knallharte Businessmen die richtige Wahl, um die Damen der Schöpfung auf den Geschmack zu bringen. Die Werbelinie für die neue Pflegeserie von XY (ich nenne jetzt bewusst nicht den Namen „Dove“) soll den Frauen sagen und zeigen, dass die neue Seife nicht nur sauber macht, sondern sie sich nach erfolgter Waschung sogar in ihrer Haut wohler fühlen werden. Also bildet man Frauen ab, nicht Männer. Und das können durchaus Frauen sein, deren Gesichter nicht so gestrafft aussehen, als hätten sie sich alles mit Tixo hinter die Ohren geklebt, und die figürlich weniger nach Skellett und Verwesung ausschauen und sich stattdessen nach echter Lust und wahrem Leben anfühlen.
Ob so oder so, auf jeden Fall muss man da keinen Typen mit einem Sixpack in die Anzeige montieren. Denn Frauen mögen ihn mögen oder auch nicht, aber wer den Waschbrettbauch am meisten liebt, das sind wir Kerle. Kaum sehen wir ihn in einem Magazin, denken wir uns: Will ich auch haben! Doch das hat was mit dem bereits in der frühen Kindheit einstudierten Matchbox-Auto-Reflex zu tun und ist eine ganz andere Geschichte ...